„Was du erzählst, ist totaler Schwachsinn!“ – Wenn andere Menschen deine Gedanken beherrschen
(©Pinterest)
Gaslighting – dieser Begriff kursiert zurzeit immer häufiger im Internet. Immer mehr Menschen erzählen der Welt ihre Erfahrungen mit psychischem Missbrauch und helfen damit sich und anderen Opfern, über das Erlebte hinwegzukommen. Doch was genau steckt hinter Gaslighting? Warum kann das Phänomen jeden treffen, egal welchen Alters, welcher Bildungsklasse oder welchen Berufs? Und was kann man dagegen tun?
Was ist „Gaslighting“?
Der Begriff enstand durch den englischen Film „Gaslight“ (1940), in dem zum ersten Mal diese Art von psychischer Manipulation beschrieben wurde. Die Hauptperson Paul Mallen, ein nach außen hin perfekter, anständiger und freundlicher Bürger, redet seiner Ehefrau Bella so lange ins Gewissen, bis diese glaubt, verrückt zu sein. Mit einer Unschuldsmiene leugnet er Geräusche und das Flackern einer Gaslaterne, die Bella wahrnimmt, und redet ihr ein, sich diese einzubilden. Dies betreibt er über so einen langen Zeitraum mit so einer Unterschwelligkeit, dass Bella irgendwann selbst nicht mehr weiß, wer sie eigentlich ist.
Leider ist dieses Problem nicht von dem Regisseur Dickinson ausgedacht, sondern es betrifft wirklich viele Menschen in der Realität. Es kann der Mitbewohner, die beste Freundin, die Familie oder auch der Partner sein, der das Opfer manipuliert. Das Problem dabei: Das Opfer merkt nicht, dass es ein Opfer ist.
Die Verdrehung der Tatsachen
Ein kleines Beispiel: Julias Mitbewohner ist cool, einfühlsam, hilfsbereit und der perfekte WG-Partner. Doch irgendwie schafft sie es immer wieder, ihn zu enttäuschen, ohne dass sie weiß wie. Mit der Zeit wirft er ihr immer mehr Fehler vor, sie hat das Gefühl, gar nichts mehr richtig machen zu können. „Das wirkt ja ganz nett, dass du deinem Bekannten einen Kuchen zum Geburtstag gebacken hast, obwohl du ihn erst seit ein paar Wochen kennst. Aber sei mal ganz ehrlich zu dir selber: War das nicht insgeheim, um dein eigenes Ansehen zu steigern? Damit er und seine Freunde dich cool finden? Du willst dich in ein besseres Licht stellen und drehst es so, als wäre es ganz selbstlos. Das ist echt egoistisch, Julia! Du musst aufpassen, was du machst, sonst stehst du bald ganz ohne Freunde da…“ Julia wundert sich, so hatte sie das doch gar nicht gemeint, sie wollte doch nur nett sein. Aber was, wenn alle anderen genauso über sie dachten? Und was, wenn er vielleicht ein wenig Recht hatte? Wollte sie sich durch den Kuchen eine neue Freundschaft erkaufen?
Was für Außenstehende oft unwirklich klingt, ist für die Betroffenen der absolute Albtraum. Wenn Julia versucht, sich Freunden anzuvertrauen, hört sie nur „Was, dein Mitbewohner? Das kann ich mir gar nicht vorstellen, der ist doch so ein Lieber!“ Julia beginnt an sich und ihrer Selbstwahrnehmung zu zweifeln. Ab diesem Zeitpunkt hat der Täter gewonnen. Nun kann er alles so drehen, wie es ihm passt. „Nein, das war ganz anders, das hast du falsch in Erinnerung!“ Das ist vermutlich einer der häufigsten Sätze, die solche Leute benutzen. Sie verdrehen die Tatsachen und lassen die Opfer glauben, etwas stimme mit ihnen und ihrer Wahrnehmung nicht.
(Pinterest)
Besonders Frauen sind von dieser Misshandlung betroffen, da sie oft eine labilere Psyche haben und sich Vorwürfe stärker zu Herzen nehmen. Insgesamt sind selbstbewusstere Personen weniger gefährdet, da sie die Schuld nicht alleine bei sich selbst suchen.
Was passiert mit den Opfern?
Menschen wie Julia, die von ihren Mitmenschen manipuliert und verwirrt werden, plagen oft große Selbstzweifel, die zu Depressionen und Selbstverachtung führen. Die Psychologin Dr. Bärbel Wardetzki nennt ze.tt die Folgen von Gaslighting für die Betroffenen: „Die Opfer verlieren ihre Lebensfreude, weil sie konstant mit Blick auf den Partner leben. Sie müssen wahnsinnig vorsichtig werden, weil ja jederzeit wieder eine Verdrehung passieren kann, durch die sie als dumm oder unfähig dargestellt werden. Das ist ein Riesenleid, dem die Frauen da ausgesetzt sind. Sie verlieren den Anschluss an ihre Lebensenergie.“
(Pinterest)
Was kann man dagegen tun?
Julia ist zwar nur ein erfundenes Beispiel, doch sie steht stellvertretend für viele Opfer, denen solche und ähnliche Situationen tagtäglich widerfahren.
Für Menschen wie sie ist es wichtig, ihr Selbstbewusstsein zurückzuerobern und sich zu wehren. Der Kontakt zum Täter sollte direkt beendet werden. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan. Denn die Betroffenen sehen ja durch die psychische Manipulation die Schuld bei sich selbst und stehen zudem dem Täter oft sehr nahe. Daher hilft vor allem der Weg zum Psychologen. Dieser kennt sich mit Gaslighting aus und weiß, wie man Menschen, die so etwas benutzen, entgegen treten kann. Er kann helfen, das fehlende Selbstwertgefühl zurückzubekommen und zu verstehen, dass man selber nicht verrückt ist, sondern lediglich auf eine verrückte Person hereingefallen ist.
Diesen Artikel kommentieren